Offene Ladenkasse

Eine bestimmte Form der Kassenführung schreiben weder der Gesetzgeber noch die Gerichte vor. Somit besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, eine „offene Ladenkasse“ (auch Schubladenkasse genannt) zu führen.

In der Praxis findet man diese Form überwiegend in Kleinstbetrieben oder bei Außer-Haus-Veranstaltungen (Bier- und Weinstände auf Volks- und Stadtfesten, Außer-Haus-Verkauf in Eisdielen oder Wurst- und Getränkestände in Fußballstadien). Dabei werden als Behältnisse herkömmliche Geldkassetten, Zigarrenkisten oder ähnliche Aufbewahrungsutensilien genutzt.

Die offene Ladenkasse wird ohne technische Unterstützung geführt. Entscheidet sich der Steuerpflichtige für diese Kassenart, kann er die Tageseinnahmen mithilfe eines fortlaufend nummerierten Kassenberichts durch Rückrechnung (retrograde Methode) aus dem gezählten Kassenbestand ermitteln.

Sinn und Zweck eines Kassenberichts ist demzufolge die richtige und nachvollziehbare Ermittlung der Bareinnahmen. Ein Kassenbericht kann z. B. wie folgt aussehen:

Muster-Kassenbericht
    Tagesendbestand (Endbestand zum Geschäftsschluss)
./.  Anfangsbestand (Kassenbestand des Vortages)
=  Zwischensumme (Saldo aus Tageseinnahmen und Tagesausgaben)
+  Kassenausgaben des Tages
+  Geldtransit auf das betriebliche Konto oder weitere Kassen
+  Privatentnahmen
./.  Privateinlagen
./.  sonstige Tageseinnahmen
=  Kasseneinnahme des Tages

Der handschriftlich zu führende retrograd aufgebaute Kassenbericht entspricht der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. Diese besagt, dass die tägliche Berechnung der Tageseinnahmen durch Rückrechnung aus dem ausgezählten Tageskassenbestand erfolgen muss.

Das Erfordernis, einen Kassenbericht handschriftlich anzufertigen, ergibt sich indirekt aus § 146 Abs. 4 AO (Grundsatz der Unveränderbarkeit). Denn bei Kassenberichten, die beispielsweise mit dem Tabellenkalkulationsprogramm Excel geführt werden, können Änderungen nicht mehr nachvollzogen werden.

Der Kassenbestand bei Geschäftsschluss muss vom Unternehmer, Geschäftsführer bzw. von Beauftragten täglich ausgezählt werden. Dabei sind sowohl die Geldscheine als auch das Hartgeld (inklusive Centmünzen) zu zählen. Als weiterer Nachweis für das tatsächliche Auszählen dient das Zählprotokoll (mehr dazu unter 3.2). Es ist darauf zu achten, dass nicht zu hohe Bargeldbestände ausgewiesen werden. Diese sind nämlich oft ein Indiz für die rein rechnerische Führung eines Kassenberichts.

Beachten Sie | In einigen Bereichen (z. B. bei Discotheken) sind Bargeldbestände in fünfstelliger Höhe aber durchaus als normal anzusehen.

Auch wird es von der Betriebsprüfung kritisch hinterfragt, wenn hohe Kassenbestände bei gleichzeitiger hoher Überziehung des Bankkontos vorliegen.

Unbare Geschäftsvorfälle, z. B. EC-Karten-Zahlungen, dürfen nicht im Kassenbericht miterfasst und dokumentiert werden. Der Kassenbericht stellt das Grundbuch für die Bargeldumsätze dar.

Privatentnahmen müssen zwingend durch Eigenbelege nachgewiesen werden. Fehlende Eigenbelege eröffnen der Betriebsprüfung nämlich die Schätzungsbefugnis dem Grunde nach. Auch müssen Privatentnahmen laufend im Kassenbericht eingetragen werden (und nicht nur am Monatsende).

Ferner sind auch Privateinlagen durch Eigenbelege nachzuweisen. Die Bareinlagen müssen nachvollziehbar sein, d. h., ungeklärte Einlagen in nicht unerheblicher Höhe sind zu vermeiden.

Die Kassensturzfähigkeit (= jederzeitige Vergleichbarkeit des Sollbestands mit dem tatsächlich vorhandenen Istbestand der Kasse) muss für jede Kasse gegeben sein! Bei fehlender Kassensturzfähigkeit ist die Buchführung eines Betriebes, in dem die Einnahmen ganz überwiegend über die Barkasse vereinnahmt werden, sowohl formell als auch materiell nicht ordnungsgemäß (FG Münster, Urteil vom 16.5.2013, Az. 2 K 3030/11 E, U).

Beachten Sie | Bei Betriebsprüfungen werden oft Kassenberichte vorgelegt, die „glatte“ Zahlen (ohne Nachkommastellen) beinhalten. Ergeben sich aus der Preisliste des Betriebes indes regelmäßig Zahlen mit Nachkommastellen, dann dürfte dies den Prüfer zu weiteren Prüfungshandlungen animieren.

Im Übrigen ersetzt ein Kassenbuch auch dann nicht den Kassenbericht, wenn in einer gesonderten Spalte Bestände ausgewiesen werden. Es würde an einer vorgeschalteten Berechnung fehlen.

Und ganz wichtig: Keine Kassenminusbestände. Das bedeutet: Der Kassenbestand darf nie negativ sein.

Merke | Das Fehlen von Kassenberichten bei einer offenen Ladenkasse stellt für sich genommen einen gravierenden formellen Mangel dar, der grundsätzlich zu einer Hinzuschätzung berechtigt (BFH-Urteil vom 25.3.2015, Az. X R 20/13).